Genauso lief es bei den ersten Planungen zum Bild für die Ausstellung »Im Flutlicht«. Nach verschiedenen Gesprächen war mir schon klar, dass ich das Thema »Frauen beim Fußball« aufgreifen wollte. Ich wollte einen – unseren – Erfahrungshorizont zeichnen. Ich sammelte unzähliges Material zum Thema Sexismus beim Fußball: Spruchbänder, Aufkleber, Statements in Fanzines, Hopperfotos, Screenshots von persönlichen Nachrichten, T-Shirtmotive und so vieles mehr. Manche Männer waren sogar so mutig und sandten eigene Sachen ein. Ich wollte ein starkes Statement schaffen. Aufzeigen, wie Sexismus das schönste aller Hobbies prägen kann. Aber die Wirkung, die diese Sammelaktion auf mich hatte, war augenöffnend: Vor allem war ich einfach nur genervt.
Ich bin ein paar Jahre älter als die meisten in meinem Fußballumfeld. Und es freut mich sehr, so viele selbstbewusste und starke junge Frauen zu sehen, die sich ihren Raum nehmen und den Mund aufmachen, wenn ihnen etwas nicht passt. Beinahe wäre ich geneigt zu sagen: »Wie schön, dass sich die Zeiten ändern.« Ja, es gibt mehr laute Stimmen und durch die veränderte Art der gesellschaftlichen Kommunikation, durch die Sozialen Medien zum Beispiel, kann man sich anders vernetzen und es werden eben auch kritische Stimmen laut. Es gehen auch einfach mehr Leute zum Fußball als in den 1990ern. Aber: meine Sammlung an sexistischem Material beweist, dass sich manche Sachen eben nicht so schnell ändern.
Nicht alle Frauen sind dafür gemacht, laut zu sein und die Rampensau zu geben. Ich war auch nicht so. Ganz viel habe ich einfach immer weggelächelt und hätte mir gar nicht anders zu helfen gewusst. »So ist das eben beim Fußball.« Und ich denke, ganz vielen geht es genauso. Ja, die Situation ist bei Chemie anders als bei anderen Vereinen. Aber auch hier ist eben nicht alles nur eitel Sonnenschein. Es mag hier vielleicht einfacher sein, sich zu behaupten und einzubringen. Aber ganz häufig ist es nach wie vor so, dass man lediglich als »die Freundin von« wahrgenommen wird. Als Anhängsel, das eh nicht lange bleibt. Als schüchternes Mädchen, dass sich nicht durchsetzen kann. Nur als Mutter. Als Fan und nicht als Ultra. Nicht ernst zu nehmen. Zu jung oder zu alt. »Die war auf einmal einfach da.« Kein Wunder, dass es für viele eine Hemmschwelle bedeutet, ihren Platz in der Kurve zu finden. Dabei können sich doch alle auf ihre Art und Weise engagieren. Frauen müssen nicht automatisch an Nähmaschinen sitzen und Zaunfahnen nähen (obwohl sie das natürlich dürfen, wenn es ihnen Spaß macht).
Warum gehen wir denn alle zum Fußball? Es ist unser Hobby. Für viele mehr als das. Der Fußball prägt den Alltag. Wir wollen doch logischerweise mehr sein als die »Perle aus dem Block«. Ich zitiere:
"Sie geht ins Stadion, sie scheißt auf diese Mädchensachen
Sie hat kein‘ Bock auf diese Tussi-Tour und Nägel machen
Sie scheißt auf High Heels, sie trägt lieber Nike Air
Für samstags shoppen gehen hat sie keine Zeit mehr
Denn sie fährt auswärts, ist immer bei dem Mob dabei
Es gibt nix geileres als mittendrin im Block zu sein
Sie schwenkt die Fahne, wenn Rauch kommt, dann vermummt sie sich
Die Perle aus dem Block, Prinzessin aus der Unterschicht.
Große Schnauze und immer ist sie mittendrin
Sie braucht kein‘ Sekt, weil sie immer mit uns Whiskey trinkt
Sie lebt ein Männerleben, trotzdem ist sie interessant
Samstagabend Kneipentour, sie braucht keinen Diskogang
Sie ist die Rose im Block, die Königin der Kurve ohne Krone am Kopf
Denn sie braucht keinen Lockenstab sie macht sich 'nen Pferdeschwanz
Doch sie ist bildhübsch, guck dir diese Perle an
Du schaust die Frau an und denkst dir was‘n da los
Denn sie ist heißer als die Fackeln und Bengalos
Die ganzen Männer, ja die macht sie bekloppt
Sie ist die Königin der Kurve, unsere Fackel im Block"
usw… [M.I.K.I. – Perle aus dem Block]
Viel muss ich dazu gar nicht sagen, denke ich. Das Wichtigste zuerst: Sekt und Fußball schließen sich überhaupt gar nicht aus, wie wir alle wissen!
Im Ernst: Ich möchte Frau sein können. Oder einfach so, wie ich mich fühle. Ich muss niemanden bewerten, ob in High Heels oder in Jogger. Fan, Ultra, Kutte, was auch immer. Supporten, mich einbringen, Freundinnen und Freunde treffen; einfach nur zum Fußball gehen und im besten Fall Siege feiern. Wieso sollte mich das von Männern unterscheiden? Ich will nicht »eine von den Jungs« sein müssen, um auf irgendeine Art respektiert zu werden. Ich muss kein »Männerleben« leben, um zum Fußball zu gehen. Normal, oder?
Natürlich ist es wichtig Missstände aufzuzeigen und anzuprangern. Versteht mich da nicht falsch. Aber ich hatte keine Lust mehr auf die schlechte Laune, die die Beschäftigung mit dem Thema bei mir erzeugte. Außerdem wusste ich genau, wen ich mit dem Bild erreiche: Diejenigen, die sich der Thematik sowieso bewusst sind und denen es leichtfällt, meine Empörung zu teilen. Jemanden, der davon nicht betroffen ist, würde das Thema nicht anheben. »Bei Chemie gibt es ja keinen Sexismus.« Dass das so nicht stimmt, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht weiter auszuführen. Mit diesem Bild hätte ich also niemandem geholfen und nur schlechte Laune erlangt. Negatives lässt sich nicht mit Negativem ausgleichen. Es gibt den richtigen Ort und die richtige Zeit für den symbolischen Stinkefinger, aber der war eben nicht jetzt.
Halten wir fest: Sexismus anprangern ja, aber Wut verursacht Bauchschmerzen und ändert vielleicht eh nichts. Was tun? Natürlich sind wir alle auf unsere Art einzigartig, aber eigentlich kann uns doch nichts Besseres passieren, als dass wir das normalste der Welt sind. Frauen sind schon immer zum Fußball gegangen, auch wenn es inzwischen sicherlich mehr sind. Aber immer schon wurde es als etwas Besonderes dargestellt. Meine Mutter hat beim Stadionbesuch schon die gleichen Sprüche gesagt bekommen, mit denen ich mich konfrontiert sehe. Es wird also höchste Zeit klarzumachen, dass es einfach stinknormal ist, dass wir ins Stadion gehen. Und dazu gehört eben auch, dass Frauen im Fußballkontext dargestellt und repräsentiert werden. Es gibt kaum Choreos, Fahnen, Logos, Aufkleber etc., die eine Frau zeigen. Das ist doch Quatsch! Es müsste völlig selbstverständlich sein, dass man Frauen mit abbildet. Durch diese Repräsentation kann man vielleicht dazu beitragen, dass Hemmschwellen fallen. Weil es eben normal ist. Und unbewusst wirkt das dann eben auch bei so manchem Mann. Die Botschaft also subtil und nicht mit dem erhobenen Stinkefinger zu übermitteln – genau das war mein Ziel mit dem Bild »Venceremos«. Manchmal sagt ein Bild eben mehr als tausend Worte. (Was jetzt zugegebenermaßen nicht für dieses Statement spricht.)
Solidarisiert Euch. Bildet Banden, wie man so schön sagt. Wenn viele Frauen zum Fußball gehen und sie entsprechend repräsentiert werden, dann werden sie zu einem normalen Teil der Fanszene. Seid aktiv. Bringt Euch in Fanclubs, bei den Ultras und/oder im Verein ein. Es wird Zeit, dass auch Frauen wieder in den Gremien sitzen. Wählt Kandidatinnen bei der Mitgliederversammlung und überlegt, ob Euch eine geeignete Kandidatin für ein Amt einfällt und unterstützt sie. Auch bei der Repräsentation bei Verbänden schadet der eine oder andere weibliche Blickwinkel nicht…
Geht mit Euren Töchtern zum Fußball. Und bringt Euren Söhnen bei, dass Frauen und Fußball ganz wunderbar zusammenpassen.
Kauft keine rosa Fanartikel.